Der Zahn der Zeit

 

Spezieller Fund für das Archiv gesichert

Liegenschaftsbücher aus dem Jahr 1724, Dokumente in Deutscher Schrift aus dem 19. und 20. Jahrhundert, Fotos und Plakate von 1890 bis heute – das alles ist Alltag im Gemeindearchiv Kerken. Auch typisch: Die Dinge, die im historischen Haus an der Krefelder Straße 2 in Nieukerk aufbewahrt werden, sind ganz überwiegend aus Papier. Völlig anders aber sieht es bei einem kuriosen Objekt aus, das vor einiger Zeit den Weg ins Archiv fand.

Das "Kuriose Objekt" inmitten von Akten und Fotos
Kurioses Objekt inmitten von Akten und Fotos (Foto: Sillekens/Gemeindearchiv Kerken)

Seit einiger Zeit hatte es schon in einem Schuppen in Aldekerk gelegen. Als er in den 1980er Jahren Kies und Steine für eine Gartenteich-Befestigung benötigte, hatte sich ein Aldekerker Gartenbesitzer Kies aus dem Baggersee in Stenden liefern lassen. Dabei war ihm bei der Verarbeitung zwischen den Steinen ein längliches „Gebilde“ aufgefallen, das so gar nicht zu den anderen Kieseln passte. Es war lamellenförmig und schien möglicherweise tierischen Ursprungs zu sein. Vielleicht ein Knochen oder ein Zahn? 

Das Stück wurde aufbewahrt und geriet für eine Weile in Vergessenheit. Erst als es vor einiger Zeit beim erneuten Betrachten und Berühren anfing brüchig zu werden, machte sich der Aldekerker auf die Suche nach einem Ort, wo das Fundstück bestimmt, konserviert und sicher aufbewahrt werden könnte. 

Im Gemeindearchiv wurde er fündig. „Für uns ist das natürlich etwas ganz Außergewöhnliches, und eigentlich kein typisches Archivgut“, erläutert Nicole Sillekens, die Leiterin des Archivs. „Aber nach einigen Telefonaten war klar: Da die umliegenden Museen schon mehrere ähnliche Stücke im Bestand und daher kein Interesse an dem Stück haben, mussten wir es uns für unsere Sammlung sichern, es ist schließlich ein Kerkener Original!“ 

Die Kaufläche des fossilen Backenzahnes
Die Kaufläche des fossilen Backenzahnes (Foto: Sillekens/Gemeindearchiv Kerken)

Dann ging es erst einmal darum, zu bestimmen, um was es sich bei dem mysteriösen „Ding“ überhaupt handelt. Schnell war der Kontakt zum Amt für Bodendenkmalpflege des Landschaftsverbands Rheinland hergestellt. Dort konnten die Experten es schon anhand von Fotos als fossilen Backenzahn („Dens molaris“) eines großen frühzeitlichen Säugetiers identifizieren. Für eine ganz genaue Bestimmung wurde noch ein weiterer Spezialist hinzugezogen, der den Zahn anhand seiner Form, der Größe, der Anordnung der Lamellen und weiteren Indizien einem erwachsenen Mammut („Mammuthus primigenius“) zuordnen konnte.

Mammutmolar vor Lineal (26 cm Lang)
Mit über 24 cm Gesamtlänge ist der Molar ein schwergewichtiger Riese (Foto: Sillekens/Gemeindearchiv Kerken)

Wollhaarmammute lebten als Pflanzenfresser im Pleistozän in Europa und auch in unserer Gegend und sind vor rund 10.000 Jahren ausgestorben. Die Kieselsteine, mit denen der Zahn vermischt war, waren Teil des Flussbettes eines Rhein- und Maas-Urstroms, der bis vor 20.000 Jahren Ablagerungen mit sich geführt hatte und die hiesige Landschaft mit der Aldekerker Platte und dem Bruchgebiet formte.

Nicole Sillekens: „Auch wenn wir hiermit ein untypisches Objekt aufgenommen haben, sind wir dankbar, ein Zeugnis aus einer Zeit hier im Gemeindearchiv zu haben, lange bevor es steinzeitliche Siedlungsspuren von Menschen oder gar schriftliche Quellen gab.“

Um den Backenzahn für die nachfolgenden Generationen zu bewahren, wurde er noch von einer professionellen Paläowerkstatt konserviert. Damit Uraltes aus Kerken immer aktuell bleibt.